SPD Kisslegg - Bad Wurzach

Prekäre Arbeitsverhältnisse im Kreis Ravensburg

Veröffentlicht am 13.11.2010 in Pressemitteilungen

Die deutsche Wirtschaft befindet sich im Aufschwung, die Arbeitslosigkeit ist niedriger als seit vielen Jahren. 3,2 Prozent beträgt sie nach Angabe von Peter Kneisel von der Agentur für Arbeit aktuell im Arbeitsamtsbezirk Ravensburg. Damit liegt der Bezirk gleichauf mit Schwäbisch Hall an der Spitze in Baden-Württemberg, dem neben Bayern deutschlandweit führenden Bundesland. Was für viele Politiker Anlass zum Jubel ist, hat auch Schattenseiten: der Anteil prekärer Arbeitsverhältnisse steigt ständig. So können 1500 Menschen im Bezirk Ravensburg können von ihrem Arbeitseinkommen nicht leben und bedürfen ergänzender staatlicher Unterstützung. Mit dem gesellschaftlichen Problem der prekären Arbeitsverhältnisse befasste sich eine Podiumsdiskussion, die der SPD-Ortsverein Weingarten veranstaltete. Unter der Moderation von Prof. Dr. Rolf Nussbaum diskutierten neben Peter Kneisel der DGB-Kreisvorsitzende Gottfried Christmann, Rüdiger Denkers vom Arbeitsgeberverband Südwestmetall, Betriebsseelsorger Werner Langenbacher und der frühere Bundestagsabgeordnete und Kreisrat Rudolf Bindig.

Teilzeitarbeit, geringfügige Beschäftigung, Leiharbeit, befristete Beschäftigungen, Praktika, Niedriglöhne, von denen die Menschen trotz Vollzeitarbeit nicht leben können: die Bezeichnung prekäre Arbeitsverhältnisse wollte Rüdiger Denkers für diese Beschäftigungsformen nicht gelten lassen. Die Wirtschaft brauche Stammkräfte aber auch Leiharbeiter und befristet Beschäftigte, um auf Schwankungen des Marktes flexibel reagieren zu können. Anderenfalls wäre die Existenz vieler Unternehmen in Krisenzeiten gefährdet. Generell gebe es in der Wirtschaft keine gesicherte Arbeit. Die Wirtschaft könne nur die Löhne zahlen, die die Beschäftigten auch erwirtschafteten.
Der Gewerkschafter Gottfried Christmann sprach von atypischen Arbeitsverhältnissen, die alle Beschäftigungsformen umfassen, die vom Normalarbeitsverhältnis abweichen. Dabei gilt als Regelarbeitsverhältnis die unbefristete Vollzeitbeschäftigung, mit der der Arbeitnehmer seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Atypische Beschäftigungsformen haben, so Christmann, in den letzten Jahren stark zugenommen. 21 Prozent beträgt ihr Anteil derzeit in Baden-Württemberg, von den Jugendlichen unter 25 Jahren befinden sich 40 Prozent in atypischen Beschäftigungen. Im Kreis Ravensburg stieg ihr Anteil bis 2008 auf 41,6 Prozent. Besonders betroffen sind Frauen, die 2008 zu 57,5 Prozent atypisch beschäftigt waren. Zusammen mit dem Anwachsen des Niedriglohnsektors sind die atypischen Arbeitsverhältnisse für den Gewerkschafter Anzeichen einer verfehlten Politik. Daher forderten die Gewerkschaften einen Kurswechsel.
Aus der Sicht des Sozialethikers hält Werner Langebacher den Begriff der prekären Arbeitsverhältnisse für angemessen, weise er doch drauf hin, dass die betroffenen Arbeitnehmer nicht nur zu wenig zum Leben verdienen, sondern dass ihnen auch wesentliche Schutzrechte, die Arbeitnehmer zustehen, vorenthalten werden. Die Arbeitsgesellschaft sei gespalten in Arbeiter erster, zweiter und dritter Klasse. Dem stellte er die Forderung der katholischen Soziallehre entgegen, nach der die Arbeit ein Ort von Rechten und Pflichten sei. Das Verhältnis von Arbeit und Kapital sei nicht mehr ausgeglichen. „Die Verteilungsfrage muss neu diskutiert werden.“
Rudolf Bindig wies auf die Entwicklung hin, die zu dieser Situation geführt hat. Diese Beschäftigungsformen seien von Gesetzgeber für Ausnahmesituationen in der Wirtschaft geschaffen worden. Die Instrumente der Flexibilisierung würden jedoch nunmehr in großem Stil missbraucht. „Aus der Ausnahme ist die Regel geworden.“, Während früher die Unternehmen ihre Kunden eher durch die Qualität ihrer Produkte zu gewinnen trachteten, sei der Lohn heute zum entscheidenden Faktor im Wettbewerb geworden. Auch Bindig forderte einen Kurswechsel der Politik. Sie sei gefordert, den marktwirtschaftlichen Wettbewerb sozialverträglich neu zu regulieren. Im Einklang mit Christmann forderte er als erste Maßnahme einen gesetzlichen Mindestlohn.
Die sozialen Auswirkungen prekärer Arbeitsverhältnisse standen im Mittelpunkt der anschließenden Diskussion. Prekäre Arbeitsverhältnisse machten eine Lebensplanung unmöglich, stellte die SPD-Ortsvereinsvorsitzende Doris Spieß fest. Stadträtin Helga Bayha sprach sich für öffentliche „Negativlisten“ von Firmen aus, als Gegenwehr der Zivilgesellschaft bei missbräuchlicher Behandlung ihrer Beschäftigten. Eine andere Teilnehmerin wies auf die besondere Betroffenheit von Frauen hin.
In ihrer kurzen Vorstellung griff die hiesige Landtagskandidatin der SPD, Christel Ulmer, die allgemeine Einschätzung des Podiums auf, dass insbesondere Investitionen in die allgemeine und berufliche Bildung notwendig sind, um den Menschen bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu bieten. Ulmer erklärte, dass das Politikfeld Bildung und Erziehung und hier insbesondere die frühkindliche Erziehung, ihr landespolitischer Interessenschwerpunkt sei und lud ihre Zuhörer ein, sich auf ihrer Homepage darüber mit ihr auszutauschen.

Homepage SPD Kreisverband Ravensburg

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