SPD-Spitzenkandidat Nils Schmid präsentiert sich als selbstbewusster Herausforderer des Ministerpräsidenten. Foto:Kästle
„Wir brauchen einen Ministerpräsidenten, für den die Landesverfassung kein Fremdwörterbuch ist.“ Mit Sätzen wie diesen sorgte der SPD-Spitzenkandidat für die baden-württembergische Landtagswahl am 27. März, Nils Schmid, für Stimmung, als er am Montagabend in der Ravensburger Zehntscheuer auftrat.
Zusammen mit Christel Ulmer, die im Wahlkreis Ravensburg gegen Landwirtschaftsminister Rudi Köberle antritt, und Peter Clement, der im Wahlkreis Wangen dem Platzhirsch Paul Locherer den Sitz im Landesparlament streitig macht, gab sich Nils Schmid zuversichtlich, die CDU-Vorherrschaft im Land brechen zu können, und zwar mit den Grünen als Juniorpartner.
In einer lockeren Gesprächsrunde fungierte Professor Dr. Michael Hermann als Stichwortgeber, der nach einer musikalischen Pause die schriftlich eingereichten Fragen der Zuhörer bündelte und an das Kandidatentrio weiterreichte. Die Sozialfachwirtin Christel Ulmer beschäftigte sich schwerpunktmäßig mit dem Themenbereich vorschulische Bildung und beklagte, dass das Land den Bildungsplan in diesem Bereich ausgesetzt hat, weil die Kommunen finanziell nicht in der Lage sind, Kindergärten und Tagesstätten personell ausreichend auszustatten: „Es werden bis zu 28 Kinder in eine Gruppe gestopft. Die immens wichtige Sprachförderung und individuelle Beschäftigung mit benachteiligten Kindern bleibt so auf der Strecke. Abgesehen davon, was wir den Kindern damit antun, verursacht das immense Folgekosten.“
Als stellvertretender Bürgermeister von Isny und langjähriger Kreisrat beschäftigt sich der Arzt Peter Clement intensiv mit der Krankenhauspolitik und dem Gesundheitswesen im ländlichen Raum. Das Sozialministerium habe den Kreis Ravensburg schändlich im Stich gelassen in seinem Bemühen, im Raum Leutkirch-Isny eine Krankenhausversorgung zu installieren, die auf Dauer Bestand hat und die Versicherten nicht über Gebühr finanziell belastet, kritisierte Clement.
In diesen wie in zahlreichen anderen Themenfeldern machte Nils Schmid einen Mangel an Bürgerbeteiligung aus. Das gelte insbesondere für Großprojekte wie Stuttgart 21. Er stehe nach wie vor zu diesem Vorhaben. In Zukunft müsse die Bevölkerung aber durch frühzeitige Beteiligung, die über das rein formale Vorgehen hinausgehe, in Großprojekte eingebunden werden. Die Alternative laute jetzt nur noch Weiterbau oder Einstellung mit allen Konsequenzen. „Ich bin mir sicher, dass dass wir eine breite Mehrheit für Stuttgart 21 gewinnen können. Die Baumschützer wird das zwar nicht überzeugen. Aber das schafft eine breite Akzeptanz“, meinte Schmid.
Einem Ausbau der bestehenden Bahnstrecke gibt Schmid keine Chance: „Da müsste man zwei zusätzliche Gleise durch dichtes Siedlungsgebiet verlegen. Was die Menschen von einer solchen Verlärmung halten, erleben wir gerade auf der Rheintalstrecke.“
Neben Bildung und dem Erhalt einer guten Verkehrs-Infrastruktur sieht Schmid eine wichtige Aufgabe der Landespolitik darin, öffentliche Aufträge nur noch an tariftreue Unternehmen zu vergeben, um Lohndumping zu unterbinden. Mit einer strafferen Verwaltungsstruktur und mehr Personal für die Finanzämter will der SPD-Kandidat das erforderliche Geld für den von ihm geforderten Politikwechsel eintreiben.
Ändern sollen sich aber nicht nur die politischen Schwerpunkte, sondern auch der Umgang mit den Bürgern, indem sie frühzeitig an Entscheidungen beteiligt und umfassend informiert werden.
Die Linkspartei betrachte er als Hindernis für einen Politikwechsel, weil sie nicht regierungsfähig sei, erklärte Schmid: „Was wir als letztes brauchen, ist eine Debatte darüber, wie man bei uns den Kommunismus einführen kann.“
Von Anton Wassermann, Schwäbische Zeitung 2.2.2011