KREIS RAVENSBURG- Der Landkreis Ravensburg will sich in Zukunft allein um Hartz-IV-Empfänger kümmern. Dies hat der Kreistag am Donnerstag in Bad Waldsee beschlossen. Bisher teilt sich der Landkreis die Aufgabe mit der Agentur für Arbeit. Bis Jahresende muss ein entsprechender Antrag beim Landesministerium für Arbeit und Soziales vorliegen.
Vermutlich im Frühsommer 2011 wird dann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales über den Antrag entscheiden. Sollte ihm statt gegeben werden, würden die rund 5140 Hartz-IV-Empfänger im Kreis ab 2012 nur noch vom Landkreis betreut werden. Bisher erhalten Hartz-IV-Empfänger ihr Geld für Lebensmittel und andere Einkäufe von der Agentur für Arbeit Ravensburg. Diese vermittelt den Betroffenen auch Arbeit. Vom Landkreis bekommen die Menschen ihr Geld für die Miete und weitere Unterstützung, wie Suchtberatung und Kinderbetreuung.
Doch auch bisher mussten die Betroffenen für Anträge nicht zu zwei Adressen laufen. Die zuständigen 20 Mitarbeiter vom Landkreis saßen ebenfalls in der Agentur für Arbeit in der Ravensburger Schützenstraße bei den 100 zuständigen Arbeitsver-mittlern. Allerdings erhielten die Hartz-IV-Empfänger zwei Bescheide, einen für die Lebensunterhaltungskosten und einen für die Miete.Sollte dem Antrag des Landkreises stattgegeben werden, müsste er die 100 Mitarbeiter der Agentur übernehmen. Wo diese in Zukunft arbeiten würden, ist offen. Laut Diana E. Raedler, Leiterin des Sozialdezernats, müsste der Landkreis dann 1500 Quadratmeter Büroflächen schaffen. Zudem sind die Computersysteme nicht kompatibel. Die Daten der Hartz-IV-Empfänger und die Daten von rund 6600 Menschen, die trotz Arbeit Unterstützung brauchen, müssten in ein neues System übertragen werden. Raedler geht dabei von einem Aufwand von 9000 Arbeitsstunden aus. Die Kosten für die gesamte Umstellung konnte Raedler nicht beziffern. Die Kosten müsste jedoch der Kreis tragen. Sollte der Antrag des Landkreises abgelehnt werden, müssten Kreis und Agentur weiter zusammenarbeiten.
Die CDU-Fraktion hatte den Antrag für die alleinige Trägerschaft ge-stellt. Zwei Drittel der Stimmen, also 48, benötigte sie – 48 Stimmen bekam sie. Roland Bürkle (CDU) argumentierte, dass der Kreis über die Angebote für die soziale Unterstützungder Menschen verfügen würde. „Wir können unser Netzwerk einbringen“, sagte Bürkle. „Ich bin überzeugt, dass wir einen größeren Erfolg bei der Eingliederung der Menschen haben werden.“ Die Grünen, die ÖDP und die FDP schlossen sich an. Die Freien Wähler waren uneins. Die SPD sprach sich dagegen aus. Rudolf Bindig (SPD) sagte: „Das Ziel ist, zu erreichen, dass möglichst viele Menschen in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden.“ Doch die Kommunen mit dem Modell alleiniger Trägerschaft durch den Kreis hätten „keine signifikant besseren Vermittlungszahlen“. Wenn Kreis und Agentur weiter zusammenarbeiten würden, wäre dies ein „einfacher Weg ohne Risiko“. Wegen einer Verfassungsänderung können Landkreise derzeit eine solche Neuorganisation beantragen.
Schwäbische Zeitung vom 2. Oktober 2010